Als der Gong ertönte waren die Kinder mucksmäuschenstill. Die beiden Holztürchen am Kasten wurden geöffnet und das erste farbige Papierbild wurde präsentiert. Die Form des Erzähltheaters, wenn gedruckte oder gemalte Bilder nach und nach parallel zu einer vorgetragenen Geschichte in einem Holzkasten gezeigt werden, nennt sich Kamishibai. In der Stadtbücherei im Rathaus las Dr. Christiane Puck aus dem Buch von Otfried Preußler „Der kleine Wassermann“ vor und ihre junge Assistentin Ava Hosseiny, die die dritte Klasse besucht, wechselte währenddessen die Papierbilder im Holzkasten, so dass jede Szene des Kinderbuches illustriert wurde. Gespannt schauten die Kinder der Lese-AG der Offenen Ganztagsschule der Grundschule Am Reichenberg zu und ließen sich von dieser einfachen, aber mit hoher Kunst verbundenen Präsentation in den Bann ziehen.
Vor der eigentlichen Erzählstunde erklärte Dr. Christiane Puck, was es mit dem Kamishibai auf sich hat. Das Wort bedeutet Papiertheater. Kamishibai kommt aus Japan. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zogen japanische Geschichtenerzähler von Dorf zu Dorf. Allerdings waren sie auch gleichzeitig Händler und verkauften Süßigkeiten. Die cleveren Verkaufsstrategen zogen die Kinder mit dem Kamishibai magisch an und machten ihre Geschäfte. Die fahrenden Händler und ihr Kamishibai verschwanden aus dem japanischen Straßenbild, als in den Jahren nach 1950 das Fernsehen populär wurde.
Das Kamishibai wird gerade wiederentdeckt. Der Charme ist, dass es viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Nach wie vor wird kein Strom benötigt; so ist das Theater in der Kiste ein kreativer und spannender Kontrast zur digitalen Welt.
(Artikel von Christine Pfalz, Stadt Bad Honnef)